Page 16 - FAQ Kraftsymposium 2019
P. 16

allerdings nicht alleinige Voraussetzung – vielmehr müssen die Muskelfasern durch entsprechendes Training
           in  die Lage  versetzt  werden,  entsprechend  zu  kontrahieren.  Für  ausdauerorientierte  muskuläre  Leistungen
           wären  das  beispielsweise  ermüdungsresistente  Kontraktionen.  Dazu  kann  die  aerobe  Kapazität  u.  a.  durch
           Anpassungen  in der Kapillarendichte, dem Mitochondrienvolumen  und der anhaltenden  Versorgung mit
           Energieträgern durch entsprechende Enzymaktivitäten sichergestellt werden . Für muskuläre Leistungen mit
                                                                                  7
           maximalen Kontraktionen ist hingegen die Zunahme an kontraktilen Elementen – also der Myofibrillen – das Ziel.


           3. Biomechanische Muskeleigenschaften: Sarkomere stellen die eigentlichen kontraktilen Funktionselemente
           des  Muskels  dar.  Dabei  spielt  ihre  Anordnung  innerhalb  des  Muskels  eine  wesentliche  Rolle  für  dessen
           kontraktile Eigenschaften. Mitunter werden Muskeln mit parallelfaseriger Struktur als „Schnelligkeitsmuskeln“
           und  mit  gefiederter  Struktur  als  „Kraftmuskeln“  bezeichnet.  Hierzu  kann  man  sich  merken:  Je  größer  der
           Fiederungswinkel, der Muskelquerschnitt und je höher der Anteil an IIX-Fasern, desto „stärker“ ist ein Muskel.
           Demgegenüber gilt: Je kleiner der Fiederungswinkel, je länger die Muskelfaser und je höher der Anteil an IIX-
           Fasern, desto „schneller“ ist ein Muskel. So stehen bspw. hohe Sprintleistungen mit kleineren Fiederungswinkeln
           im  Zusammenhang .  Außerdem  werden  für  Sprinter  signifikant  längere  Faszikel  beschrieben  als  für  Nicht-
                              8
           Sprinter . Interessanterweise können diese Parameter durch Training beeinflusst werden. So kann exzentrisches
                   3
           Krafttraining zu einer Anhäufung in Serie geschalteter Sarkomere führen und den Muskel dadurch „schneller“
           machen . Entsprechendes  Krafttraining  kann  aber auch den Fiederungswinkel  und Querschnitt  vergrößern,
                   9
           womit der Muskel primär kräftiger wird . Die für die Krafterzeugung optimale Sarkomerlänge wird außerdem
                                                10
           durch Gelenkwinkel und Vordehnung der Muskulatur beeinflusst. Hier ist auch die Verbindung zur sportlichen
           Technik bzw. zum Techniktraining zu sehen.


           4.  Nervale  Impulsmuster:  Alle  Willkürbewegungen  finden  ihren  Ursprung  im  Gehirn.  Hier  werden  im
           Zusammenspiel  unterschiedlicher  Hirnareale  Aktionspotenziale  generiert  und  über  den  Kortikospinaltrakt
           sowie die Motoneurone an den Muskel geleitet. Die Art und Weise dieser Impulsmuster spielen eine wesentliche
           Rolle auf die intra- und intermuskuläre Koordination und damit auf Kraftwirkungen. So gibt es Hinweise darauf,
           dass der „langsamere“ M. soleus bei immer schneller werdenden Fußstreckbewegungen zunehmend weniger
           aktiviert  und  vor  allem  das  Zusammenspiel  von  M.  gastrocnemius  und  M.  tibialis  anterior  optimiert  wird .
                                                                                                             11
           Natürlich müssen diese komplexen Anforderungen, wie und in welcher Reihenfolge Muskelfasern bzw. Muskeln
           aktiviert werden, erlernt und spezifisch trainiert werden.


           Es wird deutlich, dass das neuromuskuläre Funktionssystem sich nicht für Begriffe oder Kategorien wie
           Schnellkraft, Maximalkraft oder Kraftausdauer interessiert. Vielmehr sind gemessene kontraktile
           Eigenschaften  eines  Muskels  durch  spezifische  strukturelle  und  funktionelle  Merkmale
           bedingt und auf einem  Kontinuum  zwischen Maximalkraft,  Schnelligkeit  und Ausdauer
           einzuordnen. Die aufwendigen und eingeschränkten Möglichkeiten zu deren Messung
           und der Umstand, dass das strukturelle und funktionelle Zusammenspiel noch nicht
           bis ins Detail erforscht und erklärt werden kann, führt u. a. zur behelfsmäßigen
           Kategorisierung in Fähigkeiten. Diese ist jedoch trotz der zugrunde liegenden
           vereinfachten Betrachtungsweise für den Trainingsalltag außerordentlich
           gewinnbringend,  da  sie  eine  entsprechende  Akzentuierung  von
           Trainingsschwerpunkten erlaubt – ohne die genauen strukturellen
           und funktionellen Anpassungen zu kennen.
   11   12   13   14   15   16   17   18   19   20   21