Page 15 - FAQ Kraftsymposium 2019
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ANTWORT


           In Bezug auf die Kraftfähigkeiten ist die willentlich steuerbare Skelettmuskulatur für Trainer von besonderem
           Interesse,  da  sie  der  eigentlichen  motorischen  Aktivität  dient.  Deshalb  soll  an  dieser  Stelle  weniger  das
           Herz-Kreislauf-System,  sondern  die  Verbindung  von  Nervensystem  und  Muskulatur  (neuromuskuläres
           Funktionssystem) in den Mittelpunkt gerückt werden. Eine Vielzahl an Einflussfaktoren ist an der Erzeugung von
           Kraft beteiligt. Vereinfacht kann man sich an folgenden vier Aspekten orientieren:


           1. Anatomische Gegebenheiten: Wie es der Name schon sagt, sind unsere Skelettmuskeln über Sehnen
           mit Skelettknochen verbunden, die dabei inneres Widerlager und Hebel für die Krafterzeugung darstellen. Zu
           beachten ist, dass aufgrund der inneren und äußeren Hebelverhältnisse die Muskeln in der Regel sehr viel
           größere Kräfte aufwenden, als man von außen vermuten mag. Da man mit Training relativ geringen Einfluss auf
           diese individuellen Hebelverhältnisse hat, kann man von einer anatomischen Eignung für gewisse Sportarten/
           Disziplinen sprechen. Aus den Hebelgesetzen wird deutlich, dass ein langer Hebelarm (rechtwinkliger Abstand
           der Kraftwirkungslinie zum Gelenkdrehpunkt) zwar Vorteile in der Generierung hoher Drehmomente bietet,
           sich  aber negativ  auf  die Winkelgeschwindigkeit  bei gegebener  Muskelverkürzung  auswirkt .  In  diesem
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 Häufig gestellte Fragen    kürzere Unterschenkel sowie hochsignifikant kürzere Hebelarme der Plantarflexoren im oberen Sprunggelenk
           Zusammenhang  werden  z. B.,  im  Vergleich  zu  Normalpersonen,  für  Sprinter  signifikant  längere  Zehen  und

 im Leistungssport
           beschrieben .
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           2.  Histo-  und  biochemische  Muskeleigenschaften:  ST-  und  FT-Fasern  sind  gebräuchliche  Begriffe
           zur  Einteilung  der Muskelfasern.  Sie  spiegeln  die Unterschiede  der Muskelfaserstruktur  aber  nur  bedingt
           wider. Auch hier ist eher von einem Spektrum an kontraktilen Eigenschaften auszugehen, welches sich von
           langsam und schwach, aber ausdauernd, bis hin zu explosiv, aber schnell ermüdend, erstreckt. Die folgende
           Tabelle  macht  diese  Unterscheidung  deutlich,  wobei  eine  Einteilung  der  Myosin-Isoformen  und  deren
           Kontraktionsgeschwindigkeit (V0) genutzt wird.

            Typ                    Typ I          Typ I-IIA        Typ IIA        Typ IIA-IIX       Typ IIX
            V0 [Faserlänge/s]  0,285 ± 0,017   0,740 ± 0,311    1,118 ± 0,108   2,035 ± 0,148   2,836 ± 0,384
            Kraft                          Gering                  Mittel                   Hoch
            Ermüdbarkeit                  Langsam                 Langsam                  Schnell

                                                                             Tab. 1: Klassifizierung der Muskelfasertypen  . 4


            Es gibt viele Hinweise darauf, dass erfolgreiche Athleten in Sportarten mit unterschiedlichen Kraftanforderungen
               auch  ein  unterschiedliches  Muskelfaserspektrum  aufweisen.  Man  muss  davon  ausgehen,  dass  sowohl
                  genetische als auch aktivitätsbedingte Aspekte für die genaue Ausdifferenzierung der Muskelfasern
                      verantwortlich sind . So kann Ausdauertraining eine Umwandlung in der Reihenfolge IIX > IIXIIA
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                         > IIA > IIAI > I bewirken, was in unterschiedlichen Studien nachgewiesen werden konnte. Im
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                               Umwandlung  in  umgekehrter  Richtung  ermöglichen  .  Allerdings ist  die Umwandlung
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                                  von langsam  zu schnell  als ungleich  schwieriger einzuschätzen  und womöglich
                                      nur unter Berücksichtigung  des Trainings und der gesamten  Alltagsmotorik
                                         erfolgsversprechend.


                                               In  Bezug  auf  schnelle,  ausdauernde  oder  maximale  Kraftwirkungen
                                                   ist ein  hoher  Anteil an  schnellen  oder langsamen  Muskelfasern
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